Montagmorgen, 06:20 Uhr im Briefingraum in Aviano. Die Sonne brannte schon ziemlich stark durch’s Fenster und ich schützte meine müden Augen mit der Sonnenbrille. Den Eishockey-Match gestern Abend musste ich noch unbedingt zu Ende schauen, das war viel zu spannend. "Den Schlafmangel mache ich dann halt mit meiner Routine wieder wett", dachte ich mir vor dem zu Bett gehen, aber jetzt war ich meiner Sache nicht mehr ganz sicher. Obwohl dieser Safety-Check jedes Jahr durchgeführt wurde und ich die Sache eigentlich immer ganz locker anging, war ich jetzt doch etwas nervös. Deshalb war ich auch schon 10 Minuten vor dem Briefing hier und ging noch einmal alle Emergency-Checklisten durch. Mein neues Electronic Flight Bag liess sich hervorragend durchblättern, das würde mir auch im Flug keine Probleme bereiten. Aber nein, da sind ja nur die Karten von Korea drin und die Balkan-Karten wollte ich mir ja gestern Abend noch schnell drauf laden! Mist. Jetzt einfach improvisieren und nichts anmerken lassen. Aviano kenne ich ganz gut und die Kameraden im Turm werden mir heute sicher kein Bein stellen.
06:29 Uhr. Plötzlich hörte ich Schritte im Gang und den ruhigen und konzentrierten Schritt konnte ich ohne Zweifel meinem Instruktor zuordnen. Er war ein sehr erfahrener, kameradschaftlicher Pilot und immer guter Laune. Sein unheimlich grosses Wissen konnte er immer auf eine sehr lustige Weise an uns weitergeben und so gesehen konnte ja eigentlich gar nichts mehr schief gehen.
Als die Schritte näher kamen bemerkte ich noch ein ganz feines, samtenes Laufgeräusch und als Bumerang wie immer mit einem Schmunzeln in der Türe stand, streifte seine Lieblingskatze schnurrend um seine bereits vom G-Sack festgezurrten Beine. Die beiden waren unzertrennlich und Bumerang durfte als einziger Pilot auf der Base eine Katze halten. Auf mich wirkte der Kater gleich sehr beruhigend und ich begrüsste die beiden herzlich. Jetzt war ich überzeugt, dass der Morgen sehr erfolgreich werden würde.
Mein Fluglehrer und ich machten zügig die Vorbereitungen für den anstehenden Check-Flug und fachsimpelten danach noch kurz über den balburischen Whiskey, welchen wir vorletzte Woche mit den Hueys beschafft hatten. Der edle Tropfen war von vorzüglicher Qualität und nur auserlesene Piloten wussten, wo er gelagert wurde.
Nachdem wir alles besprochen hatten, zogen wir unsere Harness an, packten unsere Helme, verabschiedeten uns von der Katze und machten uns auf den Weg zur Ramp. Auf dem Gang bemerkte Bumerang, dass er die Effektentasche mit den Pilotendossiers noch vergessen hatte und eilte nochmals zurück in den Briefingraum. Als er wieder zu mir aufschloss, bemerkte er, dass seine Tasche jetzt so merkwürdig schwer wäre, dies obwohl die Pilotenakten seit neuestem alle elektronisch auf seinem Tablet gespeichert waren und dieses nur wenig Gewicht ausmachte.
Als wir über den Tarmac schritten, glänzte unsere Maschine schon in der Morgensonne und beim Eintreffen am Flugzeug wunderte ich mich noch über die überaus freundliche Soldatin der Bodencrew, welche besonders mit meinem Instruktor ein paar lustige Sätze hinter vorgehaltener Hand abhielt. Ich schenkte den beiden keine grosse Aufmerksamkeit und stieg, mental bereits beim anstehenden Flug, konzentriert die Leiter hinauf in’s Cockpit.
…
Als Bumerang nach der Landung die Cockpithaube vom hinteren Sitz öffnete, schaute mich der Einsatzleiter der Feuerwehr ganz ernst an und zeigte mit dem gespreizten Daumen an, dass alles sicher für den Ausstieg sei. In seiner Schutzausrüstung sah er wie eine ausserirdische Gestalt aus und ich zögerte ein wenig, bevor ich meinen Helm auszog, die völlig durchnässte Stoffhaube in der Hosentasche verstaute und aus dem Sitz kletterte. Nachdem die Rettungskräfte Bumerang ebenfalls aus dem Cockpit halfen, liefen wir zügig von der Runway über das Gras zum Operationsgebäude wo unsere Theorieräume waren. Bevor ich ein Wort zu meinem grinsenden Instruktor richten konnte, musste ich erst mal meine Gedanken neu sortieren. Wieder wurde ich im Flug von dem unendlichen Detailwissen meines Kameraden und Lehrers überrascht. Obwohl ich dachte, dass ich bei der F-16 so ziemlich alles kenne, hatte ich in den letzten 45 Minuten wieder etliche a-ha-Erlebnisse. Ich fühlte mich nach dieser Mission nicht nur sicher am Boden, sondern auch um einiges sicherer in Notsituationen und war nun gewappnet für zukünftige aussergewöhnliche Situationen im Fluge.
Erst nach dem ausgiebigen Debriefing und dem ersten kühlen Bier an der Staffelbar konnte sich mein Puls wieder einigermassen im grünen Bereich einpendeln und ich konnte nun locker mit meinem Instruktor über das gerade Erlebte Witze machen und in guter Gemeinschaft den Tag ausklingen lassen.
Gruss
Pitbull